Über SubKon und Michael Bubendorf

Warum eigentlich SubKon?

Vor 4 Monaten - Kultur
Macht des Mythos

Ein Juwel der Fernsehgeschichte lädt zu neuer Entdeckung ein.

Seit etwas mehr als 15 Jahren habe ich keinen Fernsehanschluss mehr. Der „Verzicht“ auf SRF, ARD, RTL & Co. hat sich nie als solcher angefühlt. Was hätte mir ohne TV auch fehlen sollen? Die beschämende Qualität der zwangsgebührenfinanzierten Staatssendungen? Die bedauernswerten Promisendungen? Die endlosen Werbeunterbrechungen? Oder gar die Politshows und Tagesschauen, die die Illusion einer neutralen Wiedergabe politischer und gesellschaftlicher Ereignisse vermitteln?

Und doch gibt es sehenswerte Ausnahmen in der Geschichte des Fernsehens. Sendungen, die in die Geschichte eingehen und von zeitlosem Wert für die Menschheit sind. Die sechstteilige Serie „The Power of Myth“ aus dem Jahr 1988 ist eine davon. Die Produktion scheint heute völlig aus der Zeit gefallen; zwei weisse Männer sprechen über die Kraft der Mythen. Sechs Stunden lang werden die Protagonisten abwechselnd beim Sprechen gezeigt. Nur selten wird der Schuss-Gegenschuss-Schnitt mit erläuternden Bildern und Videosequenzen ergänzt. Die Idee hätte bei heutigen Fernsehredaktionsleitern nicht den Hauch einer Chance. Zu verstaubt das Format, zu weiss und zu alt die beiden Männer, zu antiquiert das Thema. Dafür interessiert sich heute niemand mehr.

Niemand, ausser die halbe Million Menschen, die den ersten Teil der Reihe – „The Hero’s Adventure“ während der letzten 12 Monate auf Youtube angesehen haben. Das grosse Interesse wird vom zweiten Teil der Serie sogar übertroffen: „The Message of the Myth“ verzeichnet über 622‘000 Aufrufe in den letzten 12 Monaten. Dass das Interview auch 35 Jahre nach seiner Aufzeichnung noch solche Resonanz findet, hat natürlich viel mit den Gesprächspartnern zu tun.

Der kurz nach der Aufzeichnung verstorbene Joseph Campbell widmete sein Leben den Mythen. Schon in frühen Jahren entdeckte er seine Faszination für die Kultur der Urvölker seines Heimatlandes. Es waren indianische Totems, die seine Interesse an den Riten und Mythen der Ureinwohner Amerikas weckten. Von dort aus machte sich Campbell auf, die Kultur vieler Länder und Epochen zu erkunden. An Campells umfangreichem Wissen und tiefem Verständnis über die Geschichten und Kulturen der Menschen teilhaben zu dürfen, ist ein intellektueller – und mit zunehmendem Verlauf des Gesprächs auch spiritueller – Hochgenuss.

Doch das Gespräch könnte nicht diese Kraft entwickeln, sässe Campbell mit Bill Moyers nicht ein Journalist alter Schule gegenüber, der dem Mythengelehrten mit allerhöchster Wertschätzung, Aufmerksamkeit und einem regelrechten Lernhunger begegnet. Jede von Moyers Fragen bezeugt seine umfangreiche Auseinandersetzung mit dem Schaffen Campbells, jede seiner Rückfragen ist von Interesse am Thema getragen, keine seiner Ergänzungen dient der Zurschaustellung eigener Fähigkeiten, sondern einzig dem Erkenntnisgewinn. Der heute Neunzigjährige Moyers darf auf ein bewegtes Leben zurückblicken, unter anderem als Assistent von US-Präsident Johnson. Seine mitunter verwerflichen Aktivitäten im Dunstkreis der Regierung illustrieren eindrücklich, wie auch grosse Menschlichkeit im Angesicht der Macht einbricht. Am schlimmsten wiegt sein Einsatz gegen Martin Luther King, an dessen Abhörung und Diskreditierung durch das FBI er aktiv mitwirkte. Moyers hat seine eigene Heldenreise hinter sich, mit allen Versuchungen und Irrungen, deren stets wiederkehrende Muster er Jahre später im Gespräch mit Campbell so kunstvoll analysieren sollte.

„The Power of Myth“ ist nichts weniger als ein Panorama der Menschlichkeit. Es ist ein Gespräch zwischen zwei Männern, deren grosser Respekt füreinander stets spürbar ist, über die grossen Herausforderungen des Menschseins, wie wir ihnen seit jeher begegnen und welchen Sinn wir dabei entdecken dürfen. Um an diesem Juwel der Fernsehgeschichte teilhaben zu können, braucht man heute lediglich einen Internetzugang und gute Englischkenntnisse. Wer über beides verfügt, kann die sechs besten Stunden vor dem Bildschirm verbringen, die Zwangsgebühren-TV wohl je ermöglicht hat.





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