Über SubKon und Michael Bubendorf

Warum eigentlich SubKon?

Vor 1 Monat - Lebensfreude
Die rote Badehose

Eine unglaubliche Geschichte, die ich vor drei Jahren in den Sommerferien erlebte.

Rückblickend ist es mir etwas peinlich, dass ich so viel Aufsehen erregte, an jenem windigen Ferientag am Strand von Jávea in Spanien. Und dass mich ausgerechnet der von mir oft kritisierte Bundesrat aus meiner misslichen Lage befreite, macht es auch nicht gerade besser.

Es waren höhere Wellen als üblich und die Strömung kann ja durchaus tückisch sein. Bei gleichen Bedingungen weht am Atlantik die grüne Fahne, aber hier am Mittelmeer spricht man von einem Orkan, sobald die Wellen höher als 30 Zentimeter werden und ein Schaumkrönchen tragen. Folgerichtig wehte an diesem Tag am Strand die rote Fahne.

Badeverbot. Im Meer. Wie soll das gehen? Ich habe keinen Vertrag mit dem Bademeister abgeschlossen, gehöre mir selbst, und das Rote Kreuz hat zwar einen jungen Mann als Bademeister angestellt, ist aber nicht Eigentümerin des Mittelmeers.

So tollte ich der roten Fahne zum Trotz als Einziger durch die Wellen, die etwas energischer als üblich an den Strand schlugen. Das machte Spass, aber nicht lange. Der Bademeister war recht freundlich, obwohl er von seinem hohen Ausguck heruntersteigen musste. Er erklärte mir, dass die Wellen zu hoch und die Strömung zu stark seien und ich deshalb nicht im Meer baden dürfe. Er war es offensichtlich gewohnt, dümmlichen Touristen die Bedeutung der roten Flagge erklären zu müssen. Ich bedankte mich für den Hinweis, und erklärte meinerseits, dass ich keinen Vertrag mit ihm oder seinem Arbeitgeber hätte und ich es bevorzuge, selbst zu entscheiden, wann ich im Meer bade und auch keinerlei Erwartung an ihn hätte, mich zu retten, so ich denn aufgrund meiner eigenen Entscheidung in Nöte geraten sollte. Das war offensichtlich eine Antwort, die der Bademeister von anderen Touristen normalerweise nicht erhält. Verdutzt schaute er mich an und erklärte, dass die rote Flagge nicht etwa eine Bitte oder eine Empfehlung sei und ich seiner Aufforderung nachkommen müsse.

Nun ist ja mit dem Roten Kreuz nicht zu spassen, wie wir aus der Geschichte wissen. Diese fragwürdige Organisation hat ja schon einiges auf dem Kerbholz – nicht nur in der jüngeren Geschichte, als das spendenfinanzierte Rote Kreuz eine experimentelle Gentherapie förderte! Nein, selbst beim Nationalsozialismus hat sich das Rote Kreuz höchst verdient gemacht, als ranghohe Nazis am Ende des Krieges das Weite nicht nur suchten, sondern – dank der Fluchthilfe des Roten Kreuzes – auch fanden.

Nun, solche Grundsatzdiskussionen wollten weder der Bademeister Jáveas noch ich führen. Schliesslich wollte ich zurück ins Wasser und der Bademeister zurück auf seinen Thron. Ich fragte den Strandaufseher also, worauf seine Autorität denn stütze, aufgrund derer er mich des Meeres verweisen könne. Die rote Badehose, teilte ich ihm mit, reiche mir als Legitimität seiner Machtausübung irgendwie nicht aus. Die Unterhaltung blieb bis hierhin beidseitig freundlich. Der Bademeister erklärte mir, dass seine Weisungsbefugnis nicht etwa an der Farbe seiner Badehose festzumachen sei. Es sei das Gesetz, welches ihm diese Autorität verleihe. Sollte ich seiner Aufforderung, dem Meer zu entsteigen, nicht nachkommen, so müsse er die Polizei rufen.

So kurz ist der Weg von einer roten Badehose zum Gewaltmonopol des Staates! Ein eindrückliches Beispiel dafür, dass alle Macht im Staate immer und jederzeit auf der Androhung und Ausübung von Gewalt basiert. Aber ich hatte genug davon. Dieses eine Mal würde ich mich nicht beugen! Ich teilte dem Bademeister mit, dass ich ein freier Mensch sei, über meinen Körper selbst verfüge und das Meer niemandem gehöre und ich somit den Jurisdiktionen von Badehosen und Gesetzen nicht unterstehe. Mit einem freudvollen und befreienden Jauchzer stürzte ich mich zurück ins Meer.

Die Badehose schaute mir nach und schüttelte den Kopf. Die Szenerie wurde natürlich beobachtet von den braven Touristen, die sich bis hierhin alle an die Weisungen der Flagge und der Badehose gehalten hatten. Erste von ihnen machten nun zaghafte Schritte in Richtung der Wellen, meine Freude und mein Ungehorsam waren ansteckender als ein respiratorisches Virus. Die Badehose erkannte, dass ihre Autorität grad arg ins Wanken geriet. Zügig schritt sie zurück zu ihrem Thron und griff zum Funkgerät. Ich schlug also meine Purzelbäume in den Wellen, liess mich tragen von der Kraft der Elemente und genoss meine Freiheit, als ich plötzlich zwei Beamte sah, die sich jenem wunderbaren Ort näherten, an dem das Meer auf das Land trifft. Etwas ungelenk und steif schritten die beiden Angehörigen der Guardia Civil durch den Sand, der zu beweglich, zu flexibel ist, um einem starren Polizistenschuh einen soliden Untergrund zu bieten. Der Sand schien ihren Sohlen fast schon auszuweichen, so dass einer der Beamten etwas einknickte und sich darüber ärgerte, dass der Sand nun nicht nur unter seinem Schuh zum Problem wurde, sondern auch im Schuh.

Jedenfalls strahlten die beiden aus, dass mit ihnen nicht zu spassen sei. Sie winkten mich heran, und als ich als Reaktion nur freundlich zurückwinkte und ansonsten weiterhin die verschwenderischen Geschenke des Meeres genoss, zogen die beiden ihre Trillerpfeifen und traten etwas näher an mich heran. Etwas zu nahe, so dass die beiden von einer etwas grösser geratenen Welle überrascht wurden und sich so auch noch Meerwasser zum Sand im Schuh gesellte. Die beiden fluchten, standen aber machtlos vor der Szenerie. Sie legten zwar ihre Hand an die Kolben ihrer Pistolen, aber man kann ja nicht einfach einen badenden Touristen erschiessen, wie sieht das denn aus? Und ins Wasser steigen, um mich gewaltsam dem Mittelmeer zu entreissen, war auch keine Möglichkeit, denn dabei würden nicht nur die Schiesseisen feucht, sondern auch die Uniformen, und damit wäre nicht nur die reale Macht des Staates, sondern auch deren Symbol ganz durchnässt.

Gerade wurde ich jauchzend von einer besonders schönen Welle umgeworfen, als nun die beiden Polizisten zum Funkgerät griffen und es dauerte nicht lange, bis ein Schnellboot der Küstenwache
am Horizont auftauchte. Mittlerweile schien sowohl die ständige als auch die temporäre Bevölkerung Jáveas am Strand versammelt, darunter erkannte ich auch einen Reporter der Lokalzeitung Entrepierna de Xàbia, der mit der Badehose sprach und sich dabei eifrig Notizen machte.

Das Boot war nun schnell bei mir, konnte jedoch nicht ganz zu mir aufschliessen, da ich nun geschickt eine Position einnahm, die für die Polizistenschuhe zu nass und für das Polizeiboot zu trocken war. Keiner von beiden kam an mich ran. Auf den Hinweis, dass ich die Sache nicht noch schlimmer machen solle, erwiderte ich nur, dass wir keinen Vertrag hätten und ich sie bitten möchte, die Beratung doch bitte einzustellen, da ich selber entscheide, wann ich wo im Meer bade. So ging das eine Weile hin und her, bis ich unerwartet eine Verschnaufpause von diesem «Fangis» erhielt. Denn nun waren es die Guardacostas, die ihrerseits zum Funkgerät griffen.

Ich gebe zu, zu diesem Zeitpunkt blieb ich nur noch aus Trotz im Wasser. Das freudige Getolle war nun gespielt, eigentlich hatte ich längst genug gebadet und die Situation hatte auch etwas Stressiges, immerhin musste ich während dem Baden immer aufpassen, genügend Abstand sowohl zur Guardia Civil als auch zu den Guardacostas zu halten. Aber ich konnte jetzt nicht mehr einknicken, vor den Tausenden von Menschen, die das Spektakel mittlerweile auch live auf RTVE – dem Zwangsgebührenäquivalent zum SRF – verfolgten. Auch den Autoritäten ging es mittlerweile um viel mehr; von der Badehose bis zum Kapitän der Küstenwache war allen klar: hier stand nichts weniger auf dem Spiel als die Kraft des Gewaltmonopols. Der Anarchist in mir witterte salzige Morgenluft. Sollte es nach 1936 zu einem zweiten Sommer der Anarchie in Spanien kommen? Das Knattern eines Hubschraubers unterbrach meine Träumereien. Ganz offensichtlich hatte die Küstenwache nun die Fuerzas Armadas aufgeboten. Was wie ein Mittel gegen Blähungen klingt, ist nichts weniger als die stolze spanische Armee. Ungewöhnlich – und wie ich fand auch etwas übertrieben – hatten die Luftstreitkräfte im Super-Puma ein
Maschinengewehr installiert. Nun wurde mir doch etwas mulmig, war ich doch wirklich zahlenmässig unterlegen und deutlich schlechter bewaffnet. Schon überlegte ich mir die Bedingungen für eine Kapitulation auszuhandeln, als ein Flugzeug quer und viel zu tief über den Strand Jáveas schoss. Die Cessna raste mit voller Geschwindigkeit auf den Leuchtturm am Cap de Sant Antoni zu. Nun hatte niemand mehr Augen und Ohren für den anarchistischen Touristen. Wie alle anderen sah auch ich gebannt und voller Entsetzen zu, als das Flugzeug an den Felsen der Costa Blanca zerschellte.

Es war nur wenige Sekunden vor dem tödlichen Einschlag, als sich der Pilot mit dem rettenden Fallschirm in Sicherheit brachte und nun langsam mit dem Fallschirm ins Meer trudelte. Meine
Widersacher aus Luftwaffe, Küstenwache, Polizei, ja selbst die Badehose machten sich sofort auf, den Piloten zu retten. Ganz offensichtlich waren alle froh um die so unerwartete wie
spektakuläre Auflösung unseres Bade-Konflikts. In der ganzen Aufregung konnten wir unbehelligt zurück in die wunderbare Finca fahren, die wir günstig von Dietmar und Heidi mieten durften.
Völlig erschöpft von diesem verrückten Tag wollte ich nur noch kurz auf der Website der Schweizer Boulevardzeitung «Blöd» vorbeischauen, als mir schon beim Lesen der Headline
der Atem stockte:

«Tödlicher Flugunfall! Bundesrat kommt mit dem Schrecken davon» – Beim Absturz eines Kleinflugzeugs konnte sich Bundesrat Alain Tigris in letzter Sekunde mit einem Fallschirm retten. Der Bundesrat wurde von einem zufällig anwesenden Grossaufgebot aus Militär, Küstenwache und Polizei gerettet. Berichten zufolge fand glücklicherweise zur exakt gleichen Zeit eine Übung am Strand von Jávea unter Leitung des Ministerio de Defensa statt, so dass der Schweizer Gesundheitsminister unverletzt geborgen werden konnte. Weniger Glück hatte die Begleiterin von Alain Tigris. Da sich leider nur ein Fallschirm im Flugzeug befand, hatte die Pressesprecherin von Herrn Tigris zugunsten des ungleich wichtigeren Bundesrates auf den Fallschirm verzichtet – «aus Solidarität» – wie Alain Tigris betont. Die Tonaufzeichnungen hierzu sind leider verloren gegangen, da der Nachrichtendienst des Bundes die Aufzeichnung der Blackbox versehentlich gelöscht hat.

Als Unfallursache gibt Bundesrat Tigris an, zum Unfallzeitpunkt «abgelenkt» gewesen zu sein. Ich jedenfalls hatte Glück im Unglück der bundesrätlichen Pressesprecherin und bin dank ihrem selbstlosen Opfer einmal mehr ungeschoren davongekommen.


Image by Ralph from Pixabay





7 Kommentare:

Cyrill: Rote Ampel
Komme ich an den Fussgängerstreifen, es ist rot. Keine Auto weit und breit. Bleibe ich brav stehen oder gehe ich rüber?



Kurt Wehinger: Die rote Badehose
Köstlich, aber auch etwas zum Nachdenken…



Rainer Bartesch: die rote Badehose
unglaubliche Geschichte! Reif für's Kino ....



pia aus wien: echt vorstellbar...
Eine faszinierende Geschichte von Machismo, Freude, Trotz und noch mehr Machtausübung...



Elisabeth: Die rote Badehose
Ich finde auch dass jeder Mensch für sich selbst entscheiden sollte was er machen möchte . das Problem ist eher dass die Menschen aber erwarten wenn ihnen was passiert dass sie nicht ganz in Ruhe absaufen dürfen sondern gerettet werden müssen und dann wird es doch zum allgemeinen Problem. Am einfachsten ist sich für die persönlich Freiheit einsame Strände auszusuchen ohne Bademeister



Dominique-Marie: Die rote Badehose
Genial! bravo



Urs Buff: Die rotebadehose
Sehr gut. gefällt mir.



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