Vielen Beobachtern fällt es schwer, das historische Ereignis im Oval Office vom 28. Februar 2025 einzuordnen. Während sich traditionelle Transatlantiker verraten fühlen und Trump-Anhänger begeistert reagieren, kann das Gespräch nur im historischen Kontext verstanden werden.
Was sich in Washington abspielte, war nicht isoliert zu betrachten, sondern der Auftakt zur nächsten Phase einer Operation, die bereits vor über einem Jahrzehnt begann. Aus Sicht der USA ist sie ein voller Erfolg: Ein vereinigtes, eigenständiges Eurasien wurde auf absehbare Zeit verhindert und damit ein geopolitisches Kernziel der amerikanischen Aussenpolitik seit dem Ende des Kalten Krieges erreicht.
Bereits 2013, als der ukrainische Präsident Janukowitsch eine engere Anbindung an Russland anstrebte und die EU-Beziehungen in den Hintergrund rückte, verstärkten die USA – gemeinsam mit einigen EU-Staaten – ihre langjährige Unterstützung oppositioneller Kräfte in der Ukraine. Finanzhilfen, Trainingsprogramme und Beratungsangebote für regierungskritische Gruppen sind gut dokumentiert. Auch die direkte Präsenz der damaligen US-Staatssekretärin auf dem Maidan unterstreicht, dass Washington die innenpolitische Entwicklung in der Ukraine nicht dem Zufall überliess. Eine enge Partnerschaft zwischen Kiew und Moskau galt in US-Strategiekreisen seit Langem als geopolitisch unerwünscht.
Dass die Eskalation im Jahr 2014 – von der Absetzung Janukowitschs über die Krim-Besetzung bis hin zu den Kämpfen in Donezk und Luhansk – nicht nur aus lokalen Dynamiken heraus entstand, sondern in einem grösseren Kontext transatlantischer Geopolitik steht, wird oft ausgeblendet. Dabei sind die Grundlinien dieser Politik keineswegs geheim: Bereits 1997 schrieb der einflussreiche US-Stratege Zbigniew Brzezinski in «The Grand Chessboard», dass die Kontrolle über Eurasien entscheidend für die langfristige globale Vormachtstellung der USA sei. Auch das US Army War College empfahl, gezielt regionale Rivalitäten zu nutzen, um potenzielle Herausforderer zu schwächen («Unfolding the Future of the Long War»).
Die Ereignisse ab 2014 folgten dieser Logik. Mit dem Regime-Change in der Ukraine und der angestrebten NATO-Annäherung wurde Russland in eine vorhersehbare Reaktion gedrängt. Die Krim-Besetzung und die Unterstützung der Separatisten waren – zumindest aus Sicht der US-Strategen – kein unerwartetes russisches Verhalten, sondern ein kalkulierbarer Schritt in einem grösseren Machtpoker.
Als Russland im Februar 2022 die Ukraine in grossem Stil angriff, bestand das vorrangige amerikanische Ziel nicht in einer raschen Befriedung des Konflikts, sondern in dessen strategischer Verlängerung. Die massive militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine diente dabei nicht nur der Unterstützung Kiews, sondern auch der langfristigen Schwächung Russlands. So gab es bereits im März 2022 vielversprechende Ansätze für ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine. Doch Boris Johnson, damals Premierminister des Vereinigten Königreichs, lobbyierte aktiv gegen eine Einigung, die sich zu diesem Zeitpunkt abzeichnete. Damit wurde eine der wenigen Chancen auf eine frühzeitige Deeskalation des Krieges gezielt torpediert.
Zahlreiche Regierungen warfen sich mit grosser Entschlossenheit an die Seite der Ukraine, ohne die langfristige strategische Dimension dieser Entscheidung vollständig zu erfassen. So nahm die EU die ihr zugedachte Position im Rahmen der langfristigen US-Strategie ein – mit allen Konsequenzen für die eigenen Beziehungen zu Russland. Wie viele Menschen der Krieg bereits das Leben gekostet hat, ist unklar. NATO-Schätzungen sprechen von über einer Million Toten und Verwundeten. Die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind auf Jahrzehnte hinaus zerstört, während die strategische Spaltung Eurasiens – ein zentrales Ziel amerikanischer Geopolitik – weitgehend erreicht ist.
In diesem Kontext erhält das Treffen im Oval Office seine eigentliche Bedeutung. Der Wechsel in der US-Regierung und die veränderte politische Ausrichtung unter Trump und Vizepräsident Vance markieren den Übergang in eine neue Phase. Das Gespräch zwischen Trump, Vance und Selenskyj machte unübersehbar deutlich, dass die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine zur Disposition steht. Vance – rhetorisch und analytisch sowohl Trump als auch Selenskyj weit überlegen – konfrontierte den ukrainischen Machthaber mit der repressiven Innenpolitik seiner Regierung und liess durchblicken, dass die Lösung des Konflikts aus Sicht der neuen US-Führung in diplomatischen Verhandlungen liege, nicht in einer Fortsetzung des Krieges. Selenskyj's unüberlegte Antwort dürfte die Meinungen in den USA zu seinen Ungunsten gedreht haben und lieferte die Grundlage für die darauf folgenden Demütigungen vor laufender Kamera.
Sollte die US-Militärhilfe tatsächlich eingestellt werden – was sich nach dem Oval Office-Gespräch andeutet – steht Europa vor einer kritischen Wegscheide. Zwei Szenarien erscheinen plausibel: Entweder kommt es zu einem Waffenstillstand, bei dem die Ukraine Gebietsverluste akzeptieren muss, oder es folgt eine Eskalation, die nur mit einer Ausweitung europäischer Militärhilfe möglich wäre.
Die Reaktionen europäischer Regierungen nach Selenskyjs Rückkehr sind beunruhigend. In seltener Einigkeit bekräftigten sie ihre Unterstützung für die Ukraine. In Berlin und Paris wurden schon zuvor Vorschläge zur Eskalation diskutiert, darunter die Entsendung von Bodentruppen und die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Beides würde die europäischen Staaten endgültig zur Kriegspartei machen – mit unkalkulierbaren Risiken. Eine direkte Konfrontation zwischen NATO-Staaten und Russland rückt damit in den Bereich des Möglichen. Sollte es zu direkten Kampfhandlungen zwischen europäischen und russischen Truppen kommen oder Raketen westlicher Bauart russisches Kerngebiet treffen, wäre die nächste Eskalationsstufe erreicht – mit potenziellen Folgen für die ganze Welt.
Wer mit der «Generational Theory» von William Strauss und Neil Howe vertraut ist, weiss: In der vierten Wende – der heutigen Phase – werden Kriege nicht mehr begrenzt geführt. Historisch waren diese Zeiten geprägt von totalen Kriegen, die existenziellen Charakter hatten und den maximalen Einsatz aller gesellschaftlichen Ressourcen forderten. Es gibt wenig Anlass zur Hoffnung, dass die Schweiz von einem solchen Konflikt verschont bleiben könnte, nachdem sie ihre Neutralität aufgegeben hat.
Ob es tatsächlich zu einem grossen Krieg in Europa kommt, hängt letztlich von der Fähigkeit europäischer Regierungen ab, die langfristige Strategie der USA zu erkennen – und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dass dies geschieht, ist angesichts der bisherigen geopolitischen Fehlleistungen und der intellektuellen wie charakterlichen Defizite vieler europäischer Entscheidungsträger leider alles andere als sicher.
Hans Müller: Quo vadis, Transatlantik-Brücke? Europas strategische Kapituration
Die Analyse der Ereignisse im Oval Office wirft ein grelles Licht auf ein strukturelles Problem der EU: Ihre Rolle als Juniorpartner der USA, der nicht nur strategische Interessen vernachlässigt, sondern auch innenpolitische Souveränität preisgibt. Die EU – insbesondere Deutschland, dessen politische Führung in den letzten Jahren durch „Impfdruck“, Energie-Absturz und Sanktionshysterie an Glaubwürdigkeit verlor – hat sich stets als willfähriger Vollstrecker transatlantischer Agenda erwiesen. Ob es um die Unterstützung fragwürdiger Regimewechsel, die stillschweigende Akzeptanz der Nordstream-Sprengung oder die Unterzeichnung milliardenschwerer LNG-Deals mit den USA trotz explodierender Energiepreise ging: Brüssel und Berlin folgten dem Kurs Washingtons – selbst dann, wenn er europäischen Interessen diametral entgegenstand. Die Sabotage von Nordstream 2 und der Zwang zu US-LNG-Importen – trotz Warnungen französischer Energieexperten – offenbaren, wie sehr die EU ihre strategische Autonomie aufgegeben hat. Die „Bundesinsolvenz Impfland“ (Zitat Medienfuzzi) wurde so zum Handlanger einer Energieagenda, die primär US-Wirtschaftsinteressen dient.
Frieden? Unerwünscht!
Der Artikel benennt es klar: Bereits 2022 gab es reale Chancen auf Verhandlungen, die von London und Washington aktiv blockiert wurden. Wie schon 1999 im Kosovo-Krieg, als die EU sich zum Handlanger der NATO-Interessen machte, wiederholt sich das Muster: Europäische Staaten opfern langfristige Stabilität zugunsten kurzfristiger Bündnistreue. Die EU hätte hier als Vermittler auftreten können – stattdessen überbot man sich in Kriegsrhetorik und Waffenlieferungen. Die Folge? Hunderttausende Tote, zerstörte Infrastruktur und eine absehbare Dauerkrise an der Ostflanke. Dass Selenskyj nun vor laufender Kamera gedemütigt wird, während Europa hilflos zuschaut, ist nur die logische Konsequenz dieser Unterwerfungspolitik. Die Berichterstattung europäischer Leitmedien blendet systematisch aus, dass bereits 2022 konkrete Verhandlungsoptionen auf dem Tisch lagen. Stattdessen wurde die Narrative des „totalen Sieges“ forciert – ein Muster, das an die Kriegspropaganda im Irak 2003 erinnert.
Wer zieht die Fäden?
Die Frage nach den Treibern dieser blinden Gefolgschaft führt unweigerlich zu Machtstrukturen, die über nationale Regierungen hinausreichen. Ob man sie nun dem militärisch-industriellen Komplex (ein real existierendes, gut dokumentiertes Phänomen) zuschreibt, auf Einflüsse der Hochfinanz, des Deep State, globaler Eliten oder anderer Akteure verweist – Fakt ist: Die EU hat ihre Entscheidungsfähigkeit an Interessengruppen delegiert, deren Ziele nicht mit denen ihrer Bürger übereinstimmen. Die aktuelle Debatte um Taurus-Lieferungen und Bodentruppen zeigt: Selbst angesichts des US-Rückzugs fehlt der politische Wille, eine eigenständige Friedensinitiative zu starten. Stattdessen wird weiteres Eskalationspotenzial geschaffen – zur Freude der Rüstungslobbys, zur Verzweiflung der Zivilbevölkerung. Während Regierungen auf Aufrüstung setzen, formiert sich Widerstand: Bauernproteste gegen ukrainische Billigimporte, Friedenskundgebungen in Leipzig und Marseille sowie kritische Stimmen in Österreich zeigen, dass die Bevölkerung die Kriegslogik nicht mitträgt.
Europa am Scheideweg: Vasall oder Kontinentalmacht?
Sollte die US-Hilfe tatsächlich ausbleiben, stehen zwei Optionen im Raum:
Realpolitik: Anerkennung territorialer Verluste, Verhandlungen mit Russland, Wiederaufbau einer sicherheitspolitischen Eigenständigkeit.
Selbstopferung: Fortsetzung des Stellvertreterkriegs mit europäischen Ressourcen – bis hin zum direkten NATO-Konflikt, der den Kontinent in einen Abgrund reißen würde.
Leider deutet vieles auf Letzteres hin. Die jüngsten Bekenntnisse europäischer Regierungen zur „uneingeschränkten Solidarität“ mit Kiew wirken wie eine Kopie des US-Skripts von 2022 – nur ohne dessen Ressourcen und geopolitisches Kalkül. Neutrale Staaten wie die Schweiz oder Türkei könnten trotz ihrer aufgeweichten Neutralität als Vermittler auftreten.
Richard Schwarz: Prophetie
Der anstehende Krieg gehorcht dem Skript, der in der klassischen Prophetie beschrieben wird. Eine tiefere als die geopolitische Erkenntnis ist der anstehende geologische Umbruch, der eine Reduktion der Armeen nötig erscheinen lässt. Diese Planungen der Elite gehen einer mit radikalzionistischen Endzeitsekten - die es, wenngleich machtloser, auch auf Christliches und musischer Seite gibt -, weiche denn wahren Messias vermittelt umfassender Zerstörung in dieser Welt zwingen wollen. Damit entpuppt sich das Offensichtliche als ein Vorgang, der mit dem Nicht-Offensichtlichen einher geht und sich auf unheimliche Weise zu verknüpfen scheint.
Winfried Hoffmann: Können sie sich das leisten, die kriegslüsternen Europäer?
Ich weiß nicht wann die oben abgebildeten Kommentare geschrieben wurden, aber seit gestern (4.3.), mehr noch heute, kann, wie aus Zauberhand, Deutschland und die EU Billionen Euro für Rüstung und Krieg "zaubern". Geschichte wiederholt sich nicht? Natürlich nicht 1:1, aber am geschichtlichen Horizont leuchtets sehr nach 1933.
alibert arselek: Krieg
Geld wird einfach gedruckt und weil es für den Kieg ist, verdient sich die Kriegswirtschaft dumm und dämlich und die Industrie floriert.
Deswegen wird der unweigerliche Finanzcrash weiter hinausgezögert und gewinnt man den Krieg, zahlt der Verliere alles.
Weil einfach einfach einfach ist.
:markus: Kriegszeiten und -nutzen
Ich tippe auf Krieg aus zwei Gründen: erstens kostet Krieg zwar, aber war und ist auch ein Mittel für verschuldete Staaten, den Finanzcrash herauszuzögern. Die Rechnung bezahlt ja eh der Schutzgeld zahlende Bürger. Zweitens kann mit real werdender Kriegsangst die Bevölkerung noch besser geknechtet und kontrolliert werden.
Hans-Ulrich Rösli: Können sie sich das leisten, die kriegslüsternen Europäer?
Eine sehr treffende Analyse, aber nicht ganz zu Ende gedacht. Amerika wie Europa sind hoch verschuldet. Kriege kosten bekannter weise sehr viel Geld. Haben denn die europäischen kriegslüsternen Staaten die Mittel um ihre militärische Agenda durchzuführen? Ist dies vorstellbar aufgrund leerer Staatskassen und wirtschaftlichem Niedergang? Wird der europäische Kontinent nicht noch gesamthaft geschwächter aus einem solchen Waffengang herauskommen oder überhaupt keine Rolle in der Welt mehr spielen? Wieso haben wir Eliten welche sich der Realität verweigern? Es braucht eine Zäsur und zwar rasch…
Walter Bärtschi: Glasklar und äusserst beunruhigend
Danke für diese - wie mir scheint - sehr realistische Analyse. Das ist genau, was wir nicht zu hören wünschten… aber wissen sollten.
-1: Eskalation
So sehe ich es exakt auch, Du schreibst es sehr korrekt und gelungen aus meiner Sicht. Die Frage ist wirklich was macht Europa jetzt, komplett ohne Geld aber scheinbar grosser Kriegslust! Es ist tatsächlich Europe, dass weiter eskaliert! Vor 1.5 Monaten war dies die Rolle von Amerika……..!